Ausgewogen oder radikal?

Beides hat seinen Platz im persönlichen Leben und im BEG

von Christoph Windler

Früher habe ich Ansichten radikaler vertreten, nun bin ich ausgewogener, sehe Dinge differenzierter. Das ist eine Folge der Lebensreife. Doch ist das eine wünschenswerte Entwicklung? Passt sie zur Nachfolge Jesu? Ich weiß, ich muss ausgewogen leben, um meine Lebensqualität und Gesundheit zu erhalten. Aber verhindert diese Ausgewogenheit nicht gerade, aus der Komfortzone herauszutreten und mich radikal Jesus zur Verfügung zu stellen?

Welchen Platz hat ausgewogen sein und radikal sein im Leben als Christ und in der Bundesgemeinschaft des BEG? Wo gilt es, ausgewogen zu sein, wo radikal? Oder ist am Ende eine Kombination von ausgewogen und radikal das Richtige?

Versuchen wir eine Antwort:

# Ausgewogen sein bedeutet, die Dinge in Balance zu halten, Angelegenheiten abgerundet zu sehen und möglichst viele Gesichtspunkte einzubeziehen. Es meint, viele unterschiedliche Interessen zu vereinen und den verschiedenen Ansprüchen im Leben gerecht zu werden.

# Radikal besagt, Dinge von Grund auf (von der Bibel her) ganz und gar zu vertreten, möglichst umfassend und vollständig zu leben. Es schließt auch ein, in gewissem Sinn einseitig zu sein, sich zur Wahrheit zu stellen.

Bei Jesus kommt das Ausgewogene und das Radikale vor: „durch Jesus Christus sind die Gnade und die Wahrheit zu uns gekommen“, Joh 1,17; „Ihr könnt nicht Gott dienen und zugleich dem Mammon“, Mt 6,24. Jesus verkörpert ausgewogen Gottes Wahrheit und Gnade. Er geht weder in Bezug auf die Wahrheit noch in Bezug auf die Gnade einen Kompromiss ein. Jesus fordert eine radikale Entscheidung zwischen einem Leben für Gott oder einem Leben für den Besitz und den Wohlstand. Paulus spricht davon, dass er die Wahrheit verteidigt und bekräftigt und kurz danach betet er für die Christen, dass sie zu ausgewogenen, abgerundeten Urteilen kommen, Phil 1,7-10.

Radikal und ausgewogen sein gehören zusammen.

Zwei Anwendungen:

Ein Urteil bilden. Wie können wir in der Beurteilung von Personen, Situationen und Sachverhalten das radikal und ausgewogen sein mit einander verbinden? Dazu ist es notwendig, sich von der Person oder dem Sachverhalt eine abgerundete Sicht zu verschaffen. Es ist nötig, die verschiedenen vorhandenen Aspekte gut ins Gesamtbild einzubeziehen. Einseitigkeiten oder ein unvollständiges Bild ist zu vermeiden. Erst dann werden wir einer Person oder einer Situation gerecht. Zudem geht es darum, die Angelegenheit vom Grund her (von der Bibel) umfassend und vollständig zu untersuchen und schließlich zu bewerten. Es ist zu vermeiden, alle möglichen Ansichten als gleichberechtigt biblisch zu sehen aber genauso, die Dinge oberflächlich zu betrachten. Radikal bedeutet hier auch gründlich. Das Gesagte gilt – weil es eben aktuell ist – für meine Beurteilung von Personen und Sachverhalten in Bezug auf das Predigen von Frauen. Dabei sind wir aufgefordert, ausgewogen und radikal zu sein.

Miteinander umgehen. Eine Person abgerundet beurteilen – was genau vertritt sie oder wie genau verhält sie sich? Was sind die Umstände? Welches sind ihre Beweggründe? Zuhören und Nachfragen sind geboten. Ich freue mich über jede (kritische) Frage. Sie zeigt, mein Gegenüber will sich ein ausgewogenes Bild machen. Abgerundet im Miteinander schließt ein, Gnade und Wahrheit in Balance zu halten. Die Gnade hat Geduld, geht innerlich mit dem Gegenüber mit, ist offen. Die Wahrheit hat vor Augen, was Gott will, was ihm wichtig ist. Diese Ausgewogenheit kommt in Worten zum Ausdruck, gerade wenn sie in einer kontroversen oder angespannten Situation ausgesprochen werden. Radikal sein im Umgang mit einander bedeutet, das Gegenüber vom Grund her, ganz und gar zu lieben. Leider sind wir im Umgang manchmal zu wenig ausgewogen und in der Liebe zu wenig radikal. Dort müssen wir nicht sehen bleiben.

Fazit

Im persönlichen Leben und in der Bundesgemeinschaft werden wir die aktuellen Herausforderungen gut bewältigen, wenn wir Personen und Sachverhalte abgerundet bewerten, in ausgewogener Weise mit einander umgehen und gleichzeitig die Bibel ganz und gar vollständig in die Diskussion und Bewertung einbringen sowie das Liebesgebot radikal ausleben.

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